Teatro Trono
“El Mañana es Hoy – Die Zukunft beginnt heute”, lautet das Motto,
unter dem sich „Teatro Trono“ vor mehr als 20 Jahren
zusammengefunden hat. Die Beteiligten wollten nicht mehr auf
zukünftige Veränderungen warten, sondern diese tatkräftig in die
Hand nehmen. Daraus ist ein überzeugendes und erfolgreiches Projekt
hervorgegangen.
Alles begann mit einer Gruppe von Straßenkindern in einer
Erziehungsanstalt in La Paz. Die Erziehungsanstalt nannten die
Kinder selbstironisch Trono (Thron), denn immerhin bekamen sie dort
etwas zu essen und ein Bett. Eines Tages begann der Sozialarbeiter
und Theaterpädagoge Ivan Nogles mit den Kindern zu arbeiten und war
von ihren schauspielerischen Talenten schon bald überzeugt. So kam
es, dass er mit ihnen eine Theatergruppe gründete. Die Kinder gingen bald mit einem dermaßen
großen Engagement ans Werk, dass sie alles, was sie sahen – sei es
in der Nachbarschaft, in den Slums oder in Filmen und im Fernsehen –
in ihren Stücken verarbeiteten.Sie waren nicht mehr auf das
Erziehungsheim angewiesen. Die erste Generation des “Teatro Trono”
war geboren.
Heute verkörpert Teatro Trono bestes Volkstheater. Mit ihrer
ausdrucksstarken Körpersprache kreiert die Gruppe Bilder auf der
Bühne, die die Botschaften der Stücke auch ohne viel Sprache zu
vermitteln vermögen. Dabei beherrschen die jungen SchauspielerInnen
Pantomime genauso wie das „klassische“ Theaterspiel. Clowning,
Zirkustechniken und Masken haben in ihren Stücken eine ebenso
bedeutende Rolle wie die (meist traditionelle) Musik.
De-Kolonisierung des Körpers
Das Teatro Trono begreift Körper als schaffende
Instanzen. Körperliche Kreativität hat das Potenzial, die
Gesellschaft zu verändern und positive Impulse zu setzen. Die
Methode, die aus der Erfahrung der Straße, der Armut und des
Rassismus heraus entstanden ist, bezechnet Teatro Trono als das
Theater der körperlichen De-Kolonisierung.
“Es ist das große Missverständnis der westlichen Zivilisation, der
Aufklärung, die das rationale Denken hervorgebracht hat, dass der
Geist im Zentrum menschlichen Daseins steht und der Körper nur
Instrument des Geistes ist”. COMPA sieht den Körper als Schöpfer der
Realität, als Gestalter der Persönlichkeit. Der Körper ist
Gegenstand und Akteur gesellschaftlicher Realität. In der Gegenwart
der rationalen Dominanz, so sieht es COMPO, verneint die Logik des
Geistes genau das. Der Körper muss sich daher zunächst befreien und
seine eigene Sprache lernen. In der Befreiung von der Herrschaft des
Verstandes wird er dann zum Motor gesellschaftlichen Wandels.
COMPA
COMPA - "Comunidad de productores de artes" hat seine Wurzeln im
TEATRO TRONO. Durch die kulturelle Arbeit von Teatro Trono in El
Alto ermutigt, traten auch andere "kulturproduzierende Gruppen" in
El Alto an die Öffentlichkeit. Als "Dach" dieser Gruppen wurde
COMPA Ende der 90er gegründet. Seitdem wuchs COMPA sehr schnell.
COMPA nutzt diesen Prozess mit viel Kreativität und mit der
Einbindung vieler junger Leute.
COMPA betreibt seit Jahren in El Alto ein eigenes Kulturhaus mit
regelmäßigen kulturellen Veranstaltungen. Man kann das Kulturhaus
als permanentes Lehr- und Kreativzentrum definieren, ein Mittelpunkt
für Phantasie und Experimentierfreude für Kinder und Jugendliche. Es
ist das erste unabhängige Kulturhaus in El Alto. Inzwischen gibt es
weiteres „Stadtteil-Kulturhaus“ im 4. Bezirk von El Alto, sowie ein
Jugendkulturhaus im 6. Bezirk der Stadt.
Auch in Santa Cruz und in Cochamba gibt es seit einigen Jahren
COMPA-Kulturhäuser, die von ehemaligen Mitgliedern des damaligen
Teatro Trono geleitet werden.Das Kulturhaus I
Das Projekt erstreckt sich über 240 qm und 6 Etagen auf insgesamt
1440 qm (inkl. Wohnfläche für 30 Personen). Das Haus hat einen
Theatersaal für 250 Besucher, eine Bibliothek, eine Kinothek, die
Turnhalle, Fortbildungsräume, Büros, Räume für Kostümbildner und
Schneiderei, mehrere Lager und ein Observatorium im 6. Stockwerk des
Hauses.
Im Keller ist eine Gedenkstätte/Museum für die Bergarbeiter-Bewegung
Boliviens mit mehreren Bergwerkstollen eingerichtet. Dieses Museum
wird vielfältig genutzt. Vor allem Schulklassen werden dort von den
Mitarbeiterinnen in einer Art Rollenspiel mit den Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Mineros vertraut gemacht.Die Straße der
Kultur
ist ein einmaliges Projekt in Bolivien. Die Straße, an der das
COMPA-Kulturhaus liegt, wurde in einen permanenten Ausstellungs- und
Aktivitätenort zu verwandelt. Die Nachbarschaft entschied, die
Fassaden ihrer Häuser zur Verfügung zu stellen für Wandmalereien und
für den Aushang von didaktischem Material. Hinzu kommen (1m x 1,5m),
die der Verbreitung von Kulturinformationen, Ausstellungen, Bilder
und Fotografien dienen. Junge Menschen nutzen die Vitrinen als
Präsentationsort für ihr Talent als Dichter, Maler, Zeichner oder
Schriftsteller.
Das Teatro-Camion
Um die künstlerische Arbeit von COMPA und den darin arbeitenden
Gruppen auch in andere Region des Landes zu transportieren, wurde
schon vor der Einrichtung der neuen Kulturhäuser in Santa Cruz und
Cochabamba das "Teatro-Camion" auf Reisen geschickt. Überall im
Lande, auf Straßen, Plätzen und Wiesen kann nun z.B. Teatro Trono
sein Programm spielen. Natürlich ist birgt dieser Weg zum Publikum
auch die große Chance in sich, die Sorgen, Fragen und Hoffnungen der
Bevölkerung im ganzen Land aufzunehmen und in zukünftigen
Theaterproduktionen zu reflektieren.Die Reisende Schule
Inspiriert wurde Teatro Trono für die „Reisende Schule“ durch
Freunde in Belgien, die dort schon lange eine „Movile School“
betreiben. Zunächst war diese Form der Schule vor allem an Kinder
gerichtet, die auf der Straße leben. Heute aber ist das Konzept so
überzeugend, dass die „Reisende Schule“ aus in den Stadtteilen und
in Schulen halt macht.
Mit vor allem verschiedensten spielerischen Elementen können Kinder
in der sehr mobilen Schulform das Wissen des Alltags oftmals im
wahrsten Sine des Wortes „ent-decken“. Eine Schule, die alle Sinne
mit einbezieht und vor allem auf eines setzt: Spaß am Lernen.
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Das Theaterstück "Arriba El Alto" ist eine Hommage an die Heimatstadt von
Teatro Trono. Es ist der Versuch, das Phänomen einer Stadt, die aus
dem Nichts von Habenichtsen geschaffen wurde, für die Bühne
einzufangen: ein Slum, ein Barrio Popular, ein Ort der Vergessenen,
der sich in den vergangenen zwanzig Jahren zu einer Metropole
gemausert hat. El Alto ist erst vierzig Jahre alt und in dieser Zeit
auf rund eine Million Menschen angewachsen.
Synopsis
Ein Häusermeer bedeckt heute die karge Hochebene westlich
des Regierungssitzes La Paz in Bolivien. Zunächst waren es nur ein
paar Marktflecken entlang der Eisenbahnlinie La Paz – Oruro. Nach
und nach füllten sich diese mit Bauern und Minenarbeiter, die auf
der Suche nach einem besseren Leben von den Provinzen an die Ränder
der großen Städte geschwemmt wurden.
Unter den Angeschwemmten sind die Heranwachsenden Victoria
und Ángel, die sich in der Stadt begegnen. Beide haben ihre Wurzeln
in den Traditionen des Hochlands. Victoria trägt die Pollera, das
Markenzeichen indigener Frauen, einen langen Faltenrock. Ángels
Familie kommt aus den Bergbaugebieten Boliviens, sein Vater war
Bergarbeiter und hat dem Inneren der Anden Reichtümer entrissen. In
der Stadt El Alto, die um sie herum im Zeitraffer wächst, finden sie
die Liebe zueinander. Die Umstände lassen das Glück aber nicht
ungetrübt gedeihen.
Der junge Ángel soll in die Kaserne gehen, notwendige
Voraussetzung, um zum Mann zu werden. Es heißt in Bolivien, dass
jeder Mann einen kleinen Soldat in sich trägt. Victoria versucht
dagegen beruflich Fuß zu fassen. Der Rassismus verbaut ihr eine
Karriere. Als ›Chola‹, als Indígena in Pollera scheitert sie beim
Vorstellungstermin. Ohne Perspektive und ohne Ángel an ihrer Seite
durchlebt sie eine Identitätskrise. Sie ist hin und hergerissen
zwischen den Traditionen ihrer Familie und dem modernen Leben in der
Stadt.
Sie lässt sich treiben und begegnet der Stadt und ihren
Protagonisten. Sie trifft einen Maurer, der davon träumt sein
eigenes Heim zu bauen, modern und nach westlichem Vorbild, begegnet
dem Chauffeur eines Minibusses, der sein klapperiges Gefährt jeden
Tag durch die verstopften Straßenschluchten manövriert und El Alto
mit zigtausend weiteren Minibussen in eine Wolke aus Diesel
eintaucht, begegnet Marktfrauen und Schuhputzern. Am Ende kommt sie
an einer Menge vorbei. Ein Dieb, der das schnelle Geld machen
wollte, wurde erwischt und wird fast zu Tode geprügelt. Die Figuren,
denen Victoria begegnet, streben nach einem westlichen Leben und
verbinden mit sozialem Aufstieg materielle Statussymbole. Die
Traditionen, die Ehrung von Pachamama, von Mutter Erde ist in den
Hintergrund getreten. Die Notwendigkeit, die Harmonie zur Umwelt und
zur Gemeinschaft zu suchen, wie es die Vorfahren getan haben,
scheint in der Stadt dem Vergessen preisgegeben zu sein.
Erst als der Präsident zum Ausverkauf des Landes aufruft
erwachen die BewohnerInnen der Stadt und besinnen sich auf das Erbe
des Hochlands. Es kommt zum Aufstand. Wachgerüttelt geht auch
Victoria auf die Barrikaden, um den Ausverkauf des Erdgases zu
verhindern. Hier begegnet sie Ángel wieder. Als Soldat steht er auf
der anderen Seite und wird er aufgefordert auf sein Volk zu
schießen. Was soll er tun?
Teatro Trono
Teatro Trono bearbeitet in seinen Werken
gesellschaftspolitisch relevante Themen. Ästhetische Grundlage der
Theaterstücke ist die Satire, die überspitzte und ironisierte
Darstellung des Alltags. In den Stücken werden Humor und Dramatik
mit den Techniken von Patomime, Clownerie und Populärtheater zu
einer Melange vermischt.
Hintergrund
Auf 4000 Metern Höhe thront "Der Hohe" (El Alto) über dem
Regierungssitz La Paz. Der Titel "Hoch" (Arriba) El Alto ist eine
bewusste semantische Redundanz und verweist auf die
Unwahrscheinlichkeit der wahren Entwicklung El Altos: den Aufstieg
der vergessenen zur wichtigsten Stadt des Landes.
2003 gaben die BewohnerInnen von El Alto den entscheidenden Impuls
zur Erneuerung des bolivianischen Staates. Im Krieg ums Erdgas
verjagten Sie den neoliberalen Präsidenten Gonzalo Sanchez de Lozado
ins Washingtoner Exil und ebneten dem ersten indigenen Präsidenten
Evo Morales den Weg. Die Regierung Morales begann mit einem Prozess
der Erneuerung Boliviens. Unterstützt wurde er von der Bevölkerung
El Altos.
2009 verabschiedete Bolivien eine neue Verfassung. Erstmals wurden
dort umfassend die Rechte der indigenen Bevölkerung verankert und
Pachamama (Mutter Natur) als besonders zu Schützendes.
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